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Praxis

Dr. rer. soc. Marc Dressel
Dipl. Psych. und Psychologischer Psychotherapeut
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79100 Freiburg

 

 



Tel.:    0761 285 33 32
Fax:    0761 610 23 63
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Inhalt:

Einführung
Demenz
Diagnose
Neuopsychologische
Diagnostik

Differentialdiagnose
Alzheimer-Demenz

Differentialdiagnose
Depression

Beratung und Therapie
Zusammenfassung
Literatur

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Zur Neuropsychologischen Diagnostik der Alzheimer Demenz


Einführung

Die Diagnosestellung einer dementiellen Erkrankung stellt für das Leben von Betroffenen wie für das Leben der Angehörigen häufig einen schwerwiegenden Einschnitt dar. Die klinische Praxis zeigt, dass die Diagnosestellung einer dementiellen Erkrankung im stationären wie ambulanten Bereich nur selten ausreichend fundiert ist oder erst dann erfolgt, wenn die Beeinträchtigungen offenkundig sind. Der Blick auf die diagnostischen Kriterien von Demenzerkrankungen zeigt, dass neben der medizinischen Untersuchung der psychologischen Untersuchung kognitiver Funktionen eine entscheidende Rolle bei der Diagnose einer Demenzerkrankung zukommt. Die Durchführung ergänzender psychometrischer Untersuchungen wird von den Alzheimer Gesellschaften in Deutschland empfohlen. Die weitverbreitete Durchführung eines Mini-Mental Tests im Rahmen einer Demenzdiagnostik zielt in die richtige Richtung, bringt aber aus einer neuropsychologischen Perspektive für die Diagnostik zu wenig an Information.

Speziell im Bereich der Früherkennung ist nur eine umfangreiche neuropsychologische Abklärung in der Lage, den beginnenden geistigen Abbau festzustellen. Differentialdiagnostisch sind wichtige Abgrenzungen mit den Ergebnissen neuropsychologischer Untersuchungen leistbar. So zum einen im Bereich der Alzheimer-Diagnose und dem dabei nötigen Ausschluss anderen Äthiologien, und zum anderen bei der Unterscheidung zwischen Altersdepression und Demenz.

 

Demenz

Der Begriff "Demenz" steht für den Defekt oder Abbau der menschlichen Intelligenz und umfasst multivariate, nicht uni-forme kognitive Einbussen spezifischer Qualität und Quantität. Aufgrund dieser Definition setzt sich aus neuropsychologischer Perspektive eine Demenz aus einem Verbund von einzelnen Hirnfunktionsstörungen zusammen, die in ihrer Summe zu gravierenden Verhaltens- und Bewusstseinsstörungen führen. Diese Beeinträchtigungen können als Folge verschiedenster Hirnerkrankungen auftreten. Bei der Mehrzahl handelt es sich um chronische, irreperable oder oft progrediente Fälle.

Die Ursachen von Demenzerkrankungen lassen sich wie folgt klassifizieren:

  • Hirnatrophische Prozesse und Sytemdegenerationen (z.B.: Morbus Alzheimer, Morbus Pick, Frontallappendegeneration, Morbus Parkinson, Chorea Huntington)
  • Vaskuläre Demenzen (Multi-Infarkt-Demenz)
  • Stoffwechselerkrankungen und Hypovitaminosen
  • Suchtleiden und Intoxikationen
  • Infektiöse, parainfektiöse und immunologische Erkrankungen
  • Tumoren und andere intrakranielle Raumfoderungen
  • Physikalische Hirnschäden
  • Epilepsien

Die Alzheimer-Krankheit aus der Gruppe der hirnatrophischen Prozesse und Systemdegenerationen ist also nur eine von vielen Krankheiten, die zu einer Demenz führen können. Im Vergleich stellt aber die Alzheimer-Krankheit die mit Abstand am häufigste Demenz-Erkrankung speziell im höheren Alter dar. Autopsiestudien zeigen, dass 50-60% aller Demenzerkrankungen in erster Linie auf die Alzheimer-Krankheit zurückzuführen sind. Desweiteren gibt es Mischformen, bei denen die Alzheimer-Erkrankung und gleichzeitige Gefässerkrankungen zu einer Schädigung des Gehirns führen (8 - 18%).

 

Die Diagnose

Das Kernsymptom jeder Demenzerkrankung bildet eine Gedächtnisstörung, die sich in einer Beeinträchtigung der Fähigkeit neue Information zu lernen, aber auch in der Beeinträchtigung der Fähigkeit früher Gelerntes abzurufen, äusseren kann. Zusätzlich zu einer Gedächtnisstörung muss mindestens ein weiteres intellektuelles Defizit vorliegen, um von einer Demenz sprechen zu können. Folgende Störungsbereiche kommen dazu in Frage:

Aphasie (Störung der Sprache).

Apraxie (beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen, trotz intakter Motorik).

Agnosie (Unfähigkeit, Gegenstände wiederzuerkennen oder zu identifizieren, trotz intakter sensorischer Funktionen).

Störungen der Exekutivfunktionen (d.h. Planen, Organisieren, Einhalten einer Reihenfolge, Abstrahieren, etc.).

In der Mehrzahl der Fälle sind bei einer Demenzerkrankung mehrere Beeinträchtigung aus unterschiedlichen Bereichen vorhanden. U.a. sind die Fähigkeit zum Abstrakten Denken und das Urteilsvermögen derart gestört, dass soziale und berufliche Aktivitäten im Vergleich zum früheren Leistungsniveau deutlich in Mitleidenschaft gezogen sind. Auch können Persönlichkeitsveränderungen beobachtet werden.

 

Neuropsychologische Diagnostik

Die Bedeutung der Neuropsychologie im Rahmen der Demenzdiagnostik ergibt sich durch die eingangs getroffenen Definition des Begriffs Demenz als ein Verbund einzelner Hirnfunktionsstörungen. Neuropsychologische Untersuchungsverfahren erlauben eine differenzierte Überprüfung einzelner kognitiver Funktionen. Im Fall der Demenzdiagnostik können so diagnostisch relevante Teilleistungen, strukturell voneinander abgrenzt, untersucht werden, um ein Bild über vorhandene Beeinträchtigungen aber auch erhaltene Fähigkeiten zu erhalten.

Die Auswahl der zu erfassenden Funktionsbereiche orientiert sich an den oben genannten diagnostischen Kriterien und sollte die folgenden Funktionsbereiche umfassen.

  • Gedächtnis
  • Kognitives Leistungstempo und Konzentrationsfähigkeit
  • Verbales Denken (Begriffsbildung, Kategorisierung, Abstraktion)
  • Numerisches Denken (Anwendung spezifischer Rechenoperationen)
  • Visuell-räumliche Fähigkeiten (Konstruktive und kombinatorische Fähigkeiten sowie das visuelle Gesichtsfeld).
  • Handlungsabläufe
  • Sprachfunktion (Syntax und Semantik sowie die Sprachpragmatie)

Der Beurteilung der Gedächtnisfunktion kommt in der Demenzdiagnostik eine besondere Bedeutung, da es sich hier um das Kernsymptom der Erkrankung handelt. Dies bedeutet, dass bei einer neuropsychologischen Demenzabklärung die aus der Gedächtnistheorie bekannten Funktionsbereiche differenziert überprüft werden. Dazu gehören die Bereiche Ultrakurzzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis. Die Fähigkeiten in diesen Funktionsbereichen können in der Praxis mit verbalen Verfahren, die sich auf bewusst zugängliche Gedächtnisinhalte beziehen, am effektivsten erfasst werden.

Folgende Fragen sollten durch die Gedächtnisüberprüfung beantwortbar sein:

  • Wie gut ist der Patient in der Lage, neue Informationen gleichzeitig zu behalten und zu verarbeiten?
  • Kann der Patient neue Information in ausreichendem Masse lernen und über einen Zeitraum von einigen Minuten halten?
  • Wie gut ist der Patient in der Lage, gelernte Information nach einem längeren Zeitraum (20 - 30 Minuten) frei wiederzugeben bzw. die gelernten Informationsinhalte in einer Auswahl wiederzuerkennen.

Neben der Überprüfung der Gedächtnisfunktion ist es im Hinblick auf die diagnostischen Kriterien der Demenz notwendig, die sogenannten Exekutivfunktionen im Rahmen einer neuropsychologischen Funktionsdiagnostik zu erfassen. Dazu gehören das Kognitives Leistungstempo und die Konzentrationsfähigkeit, das Verbale, Numerische und Sachlogische Denken sowie die Visuell-räumlichen Fähigkeiten. Die Bestimmung dieser Funktionsbereiche erfolgt durch die Anwendung spezifischer Leistungstests. Wichtig ist hierbei, das Normen zur Beurteilung der Leistungen auch für das höhere Alter vorliegen.

Zur Überprüfung der praktischen Fähigkeiten werden dem Patienten handlungsspezifische Anweisungen gegeben. Der Patient soll dabei zeigen, dass er in der Lage ist, zweckgerichtete Einzelbewegungen in einer sequentiellen Anordnung durchzuführen. Der Schwierigkeitsgrad solcher Anweisungen nimmt zu, wenn mehrgliedrige Handlungsfolgen mit mehreren Objekten verlangt werden.

Speziell im Rahmen einer Demenzfrüherkennung sollte der Beobachtung der Sprachfunktion grosse Aufmerksamkeit zukommen. Bereits bei Beginn der Erkrankung zeigen sich Störungen des Gesprächsverhaltens in Form von Beeinträchtigungen der Kommunikationsregeln (pragmatische Störungen). Dazu gehört, dass der Patient weder zu viel, noch zu wenig Information übermittelt, Mitteilungen macht, die in bezug auf das behandelte Thema relevant sind, und den Inhalt seiner Mitteilungen klar darlegt. Störungen der Wortwahl und Wortfindung sind ebenfalls meist bei Beginn der Krankheit vorhanden. Beeinträchtigungen im syntaktischen Sprachsystems werden in Symptomen wie Satzabbrüchen oder Vereinfachungen und Verkürzungen deutlich. Komplexe Sätze zeigen oft eine gestörte syntaktische Struktur oder bleiben unvollendet. Neben den genannten Aspekten der Spontansprache lassen sich Wortfindungsstörungen in sog. Benennaufgaben standardisiert nachweisen. In diesen Benennaufgaben sind mehrere kognitive Komponenten involviert. Dazu gehören:

  • Wahrnehmung: In den meisten Testaufgaben sollen abgebildete Objekte benannt werden; dies erfordert das optische Erkennen der Vorlage.
  • Semantische Interpretation: Zuordnung einer semantischen adäquaten lexikalischen Einheit aus dem mentalen Wortschatz.
  • Finden der phonologischen Form und Artikulation.

Aus der bisherigen Darstellung sollte deutlich werden, dass eine neuropsychologische Demenzabklärung weit über den Rahmen kurzer Screening Verfahren wie dem Mini-Mental-Test (MMSTE) hinausgeht. Die Durchführung des MMSTE kann erste Hinweise auf eine mögliche dementielle Erkrankung liefern, für eine ernstzunehmende Diagnosestellung reichen die Ergebnisse aber bei weitem nicht aus. Die Diagnose einer Demenz sollte immer durch die Ergebnisse einer ausführlichen neuropsychologischen Untersuchung begründet sein, um eine objektive Erfassung der Diagnosekriterien zu gewährleisten. Die dabei gewonnene differenzierte Beschreibung der kognitiven Beeinträchtigungen aber auch der erhaltenen Ressourcen ermöglicht eine Einschätzung des Schweregrads der Erkrankung, und liefert einen Ansatz für mögliche psychosoziale Therapiemassnahmen und die Beratung der Angehörigen oder Bezugspersonen. Darüber hinaus bringt eine umfassende neuropsychologische Demenzabklärung wichtige Hinweise für differentialdiagnostische Fragestellungen wie z.B. Aussagen über den Typ der Demenz oder die Unterscheidung zwischen Demenz und "Pseudo-Demenz", die durch eine depressive Erkrankung hervorgerufen wird.

 

Differentialdiagnostische Aspekte neuropsychologischer Demenzabklärung

Differentialdiagnose Alzheimer-Demenz

Die häufigste differentialdiagnostische Fragestellung in der Praxis betrifft die Unterscheidung zwischen den beiden häufigsten dementiellen Erkrankungen, der Demenz vom Alzheimer-Typ und der vaskulären Demenz (Multi-Infarkt Demenz). Diese Unterscheidung hat hinsichtlich der Behandlung und der Lebensplanung der betroffenen Personen entscheidende Bedeutung. Gerade im Bereich der medikamentösen Behandlung von Alzheimer-Patienten steht durch die Anwendung von Cholinesterase Hemmern ein nachgewiesen wirksames Mittel zur Verfügung, den geistigen Abbau zu verlangsamen. Vaskuläre Demenzen bedürfen zum Teil einer internistische Behandlung.

Die Diagnose einer vaskulären Demenz erfordert neben den oben genannten Demenzsymptomen den Nachweis einer cerebro-vaskulären Erkrankung anhand klinischer-neurologischer Untersuchungen und die Anwendung eines bildgebenden Verfahrens (Computer-Tomographie / CT oder Nuclear Magnetic Resonance / NMR). Eine Neuropsychologische Untersuchung kann hier neben der Früherkennung einen Beitrag zur Diagnostik leisten, da bei vaskulären Demenzen häufig keine globale Beeinträchtigung aller intellektueller Funktionen vorliegt und erhebliche Ressourcen bzw. ein nahezu prämorbides Leistungsniveau in einem Teilbereich des Ergebnisprofils, z.B. im Bereich des verbalen oder rechnerischen Denkens, nachweisbar ist. Im Gegensatz zu Vaskulären Demenzen weisen Demenzen vom Alzheimer Typ bei einer neuropsychologischen Abklärung in der Regel globale Beeinträchtigungen auf, ohne dass in Teilbereichen ein noch nahezu prämorbides Niveau feststellbar ist. Voraussetzung für eine solche differentialdiagnostische Aussage ist aber die Anwendung einer umfassenden Testbatterie, die alle relevanten Funktionsbereiche beinhaltet.

Da der letztendliche Nachweis einer Alzheimer-Demenz nur durch eine Gewebeanalyse im Rahmen einer Autopsie zu führen ist, handelt es sich bei der Diagnose Alzheimer immer um eine Ausschlussdiagnose. D.h., erst durch den Ausschluß anderer möglicher Ursachen für eine Demenzerkrankung wird die Diagnose einer Alzheimer-Erkrankung wahrscheinlich. Vor dem Hintergrund dieser Vorgehensweise spielt auch die Unterscheidung zwischen cortikale und subcortikale Demenztyp eine wichtige Rolle, die aufgrund einer Neuropsychologischen Demenzabklärung getroffen werden kann. Als Subcortikale Demenzen werden dementielle Störungen bezeichnet, wenn subcortikale organische Veränderungen Symptome einer Demenz bedingen. Beispiele für subcortikale Demenzen sind u.a. Morbus Parkinson oder Chorea Huntington sowie vaskuläre Demenzen die auch als Mischtyp zwischen subcortikaler und cortikaler Demenz vorkommen. Beispiele für cortikale Demenzen sind u.a. die Alzheimer-Demenz oder der Morbus Pick.

Neuropsychologische Bestimmungsstücke einer subcortikalen Demenz sind:

  • Sog. frontale Defizite im Sinne von Persönlichkeitsveränderungen
  • Das Fehlen cortikaler Symptome wie Aphasie, Apraxie oder Agnosie.
  • Dysarthrien als Ausdruck neurologischer Symptome der Sprachmuskulatur

Empirisch fundiert ist die Unterscheidung zwischen subcortikalen und cortikalen Demenzen im Hinblick auf die Beeinträchtigungen der Gedächtnisfunktionen. Subcortikale Demenzen zeichnen sich hierbei durch eine Abrufstörung aus. D.h., im Bereich der freien Wiedergabe von Wörtern einer Lernliste hat der Proband deutliche Beeinträchtigungen die entsprechenden Wörter zu nennen. Gibt man dem Proband aber semantische Hinweise auf die Zielwörter, kann er von diesen Hilfen profitieren und eine hohe Anzahl an Zielwörtern nennen. Dieses semantische priming ist bei cortikalen Demenzen ineffizient. Auch bei der Überprüfung des Wiedererkennens der Zielwörter innerhalb einer Auswahl von Wörtern, sozusagen bei einer speziellen Form des semantischen primings, sind bei subcortikalen Demenzen kaum Defizite festzustellen. Cortikale Demenzen weisen hier wiederum deutliche Störungen auf. Dies deutet darauf hin, dass bei subcortikalen Demenzen die Lernfähigkeit zwar erhalten ist, der Zugriff auf gespeicherte Information aber nicht. Auch zeichnet sich das Antwortverhalten cortikaler Demenzen bei Aufgaben zum Wiedererkennen durch eine deutliche Ja-Sage oder Nein-Sage Tendenz aus. Im Bereich der freien Wiedergabe von Lernwörtern treten bei subcortikalen Demenzen weniger Intrusionsfehler auf. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Intrusionsfehler, wenn andere Wörter als die eigentlichen Lernwörter bei der Wiedergabe genannt werden.

Zusammenfassend lassen sich im Rahmen einer Neuropsychologischen Demenzabklärung anhand des allgemeinen Leistungsprofils sowie anhand der festgestellten Gedächtnisstörungen Informationen gewinnen, die eine Alzheimer-Demenz wahrscheinlich erscheinen lassen oder in Abgrenzung dazu, für eine andere Ursache der dementiellen Erkrankung sprechen.

 

Differentialdiagnose Demenz vs. Depression

Ein weiterer zentraler Gesichtspunkt der Demenzdiagnostik ist die Frage, ob es sich tatsächlich um eine Demenz handelt oder ob der geistige Abbau durch eine depressive Erkrankung verursacht wird, also eine "Pseudodemenz" vorliegt. Pseudodementielle Zustandsbilder bei älteren depressiven Patienten zeichnen sich dadurch aus, dass mit dem Abklingen der affektiven Erkrankung auch eine Erholung der kognitiven Fähigkeiten zu beobachten ist.

Beide Erkrankungen, die Alzheimer Demenz wie die Depression, sind die beiden häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Erste Hinweise eine Alzheimer Demenz sind Veränderungen des Verhaltens, die durch Angehörige beobachtet werden. Dazu gehören in der Regel Passivität, emotionaler Rückzug, Stimmungslabilität sowie ein Rückgang an Sorgfalt und Verlässlichkeit. Diese nichtkognitiven Frühsymptome können den Anschein einer depressiven Erkrankung haben. Auf der anderen Seite kann eine schwere depressive Störung kognitive Störungen verursachen, die an eine Demenz denken lassen. Die Depression wird irrtümlich als Demenz diagnostiziert und möglicherweise erst nach einer unerwarteten Genesung erkannt. Falsche Diagnosen können hierbei schwerwiegende Konsequenzen haben. Eine Depression kann wirkungsvoll medikamentös durch Antidepressiva behandelt werden. Aber gerade einige Antidepressiva haben durch ihre Anticholinergen Eigenschaften einen negativen Einfluss auf eine Alzheimer Erkrankung

Neben anamnestischen Angaben und Verhaltensbeobachtungen können neuropsychologische Untersuchungsergebnisse wichtige Hinweise bei der Unterscheidung zwischen dementiellen und depressiven Erkrankungen liefern. Wichtigster Gesichtspunkt ist auch hier wieder die Gedächtnisdiagnostik. Wie bei dementiellen Störungen weisen auch depressive Personen beim Wortlistenlernen eine verminderte Lernleistung auf. Bei der verzögerten freien Wiedergabe dieser Lernwörter lässt sich aber bei dementiellen Syndromen eine hohe Vergessensrate feststellen. D.h., falls eine Lernleistung zu beobachten ist, werden diese Lerninhalte nach einem Zeitraum von ca. 20 Minuten nur noch teilweise oder gar nicht mehr erinnert. Depressive Personen hingegen vergessen das, was sie lernen konnten, in der Regel innerhalb dieser Zeitspanne nicht. Neben einer geringen mittelfristigen Vergessensrate weist auch das Fehlen von Wortfindungsstörungen auf eine depressive Störung hin. Studien zeigen hier, dass sich bei dementiellen Erkrankungen in Benennaufgaben im Rahmen der Sprachdiagnostik fast immer Wortfindungsstörungen nachweisen lassen, die im Fall einer rein depressiven Störung in der Regel nie zu beobachten sind.

Inwieweit bei pseudodementiellen Zustandsbildern älterer depressiver Patienten nicht doch zum Teil kognitive Störungen im Rahmen einer beginnenden dementiellen Erkrankung vorliegen, wird diskutiert. Langzeitbeobachtungen zeigen, dass in vielen Fällen intellektuelle Leistungseinbussen bei älteren depressiven Patienten eine sich erst später manifestierende Demenz ankündigen.

 

Implikationen für Beratung und Therapie

Neben der fundierten Diagnosestellung durch eine neuropsychologische Abklärung können die Untersuchungsergebnisse auch in den Bereichen Beratung und Aktivierungsmassnahmen sinnvoll verwendet werden.

Ziel und Zweck eines Beratungsgesprächs mit Patient, Angehörige oder Bezugspersonen ist die Vermittlung von Informationen über das Krankheitsbild, die Erarbeitung von Hilfestellungen für die betroffenen Personen und die Unterstützung des sozialen Umfelds bei der Betreuung und des Patienten. Die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten steht dabei im Vordergrund der Bemühungen. Zu all diesen Punkten liegen nach einer neuropsychologischen Untersuchung relevante Informationen vor. Es besteht Klarheit über den Zustand des Patienten, über seine kognitiven Beeinträchtigungen aber auch über seine erhaltenen Ressourcen. Diese Informationen erlauben es gezielt bestimmte Bereiche im Alltag des Patienten anzusprechen, die aufgrund des Störungsprofils als problematisch angesehen werden müssen. Andererseits erlauben es vorhandene kognitive Ressourcen sinnvolle Fördermassnahmen anzubieten, ohne dabei Gefahr zu laufen, den Patienten zu überfordern.

Im Hinblick auf die Behandlungsmöglichkeiten von Demenzerkrankungen spielt die Früherkennung eine entscheidende Rolle. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto effektiver kann sie behandelt werden. Dies gilt für Trainings- und Aktivierungsprogramme (Gedächtnistraining), die nachgewiesenermassen im Anfangsstadium einer Demenzerkrankung zu einer Stabilisierung der kognitiven Fähigkeiten führen, wie auch für die medikamentöse Therapie. Eine Behandlung der Alzheimer-Erkrankung mit Cholinesterasehemmern kann den Abbau kognitiver Fähigkeiten zeitweise aufhalten oder verzögern. Eine Verbesserung bereits verlorener Fähigkeiten ist mit diesem Medikament nicht möglich.

 

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag zur Neuropsychologischen Diagnostik der Alzheimer Demenz sollte die Einsatzmöglichkeiten neuropsychologischer Untersuchungen im Rahmen der Diagnose von Demenzerkrankungen vorstellen. Diese Untesuchungsmethode ersetzt die medizinische Diagnostik nicht, sondern ergänzt sie in einem sinnvollen und notwendigen Bereich. Die Bedeutung neuropsychologischer Untersuchungen liegt im Bereich der Früherkennung und objektiven Diagnosestellung sowie in der differentialdiagnostischen Abgrenzungen möglicher Äthiologien.

Ein diagnostischer Nihilismus im Bereich Demenz ist obsolet und negiert gegebene Behandlungsmöglichkeiten. Im Hinblick auf den prognostizierten Zuwachs an Demenzerkrankungen in der Bevölkerung wird der Bereich der Demenzdiagnostik eine wachsende Bedeutung erhalten. Eine Verdrängung der Problematik ist vor diesem Hintergrund ein falsches Signal. Demenzerkrankte werden und müssen kein ausgegrenzter, sondern ein integrierter Teil der Gesellschaft werden.

 

Literatur:

Alexopoulos, G.S., Meyers, B.S., Young, R.C., Moattis, S., Kakuma, T. (1993). The course of geriatric depression with "revisible dementia": a controlled study.
Am J Psychiatry, 150:10, 1693-1699.

Hasse-Sander, I., Horn, R., Müller, H., Möller, H.-J. (1993). Trennschärfe eines verbalenGedächtnistests bei beginnender Demenz und Major Depression.
Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie, 6, Heft 2,
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Kral, V.A. (1982). Depressive Pseudodemenz und senile Demenz vom Alzheimer Typ.
Nervenarzt, 53, 284-286.

Lang, C. (1994). Demenzen: Diagnose und Differentialdiagnose. Chapman & Hall

Romero, B. (1997). Sprachverhaltensstörungen bei Morbus Alzheimer. In: S. Weis, G. Weber (Hrsg). Handbuch Morbus Alzheimer. Weinheim: PVU

Romero, B. (1995). Pragmatische Sprachstörungen im frühen Stadien der Alzheimer Krankheit. Analyse und Art der Ausprägung.
Zeitschrift für Neuropsychologie, 6, 29-42.

Weber, G., Lehrner, J. (1997). Veränderungen der Kognition. In: S. Weis, G. Weber (Hrsg). Handbuch Morbus Alzheimer. Weinheim: PVU


  - Diese Seite wurde zuletzt am 29.07.14 aktualisiert.